Anfang des 19. Jahrhunderts... irgendwo in England. In der ärmlichen Hütte des Pachtbauern Amos Williams und seine Frau Ann Betty erblicke ein Kind das Licht der Welt: Georg Williams. Wie alle Pachtbauern lebte die Familie sehr ärmlich. Teller kamen nur selten auf den Tisch. Man aß aus ausgehöhlten Mulden im Tisch.
George war der jüngste Sohn von acht Kindern und wurde am 11. Oktober 1821 geboren. Er hatte das Vorrecht bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr in die Schule gehen zu dürfen, wobei er daran nur ungute Erinnerungen hatte. Die Schule verließ er mit erheblichen Defiziten. Das kann man daran erkennen, dass er zeitlebens die größten Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung hatte.
Bauer sollte er werden, doch dafür stellte er sich sehr ungeschickt an. Eines Tages legte er einen Wagen voll Heu, samt Pferden und sich selbst in einen Graben. Beim Mähen einer Wiese oder eines Kornfeldes musste Vater Amos ihn immer wieder zurechtweisen, weil er mit seiner Sense immer wieder aus der Reihe tanzte. Eines war klar: bei George handelte es sich um einen Typen für die Stadt, nicht für die Arbeit auf dem Land.
So schickte man den damals 15jährigen George zu einer Ausbildung in die Stadt. Was seine Brüder wohl als eine Strafe ansahen, empfand er eher als Glück.
Man vermittelte ihn nach Bridgewater in ein Textilgeschäft. Bald mussten alle anderen Angestellten und auch der Chef feststellen, dass es sich bei dem Neuen um ein kaufmännisches Naturtalent handelte. Weil es ihm sichtbar Spaß machte zu bedienen, machte es auch den Kunden Spaß, sich von dem Mann mit dem angenehmen Wesen bedienen zu lassen. Sein intuitiver Sinn, das Richtige zu tun, trug zu seinem Erfolg bei.
An einem Winterabend des Jahres 1837 saß er in der Kapelle der Freikirche zu Bridgewater. Als er die direkten und gradlinigen Worten des walisischen Predigers Evans James hörte, musste er sich dem Gehörten stellen. George hatte das Gefühl, Evans James spreche ausschließlich zu ihm, zu seinen Gedanken und in seine Situation. Einer solchen Anrede wollte er sich nicht entziehen.
Mit 84 Jahren stand er vor einer Gruppe junger Männer und erklärte ihnen. "Falls ihr ein glückliches, sinnvolles und reiches Leben führen wollt, dann gebt eure Herzen Gott, solange ihr noch jung seid."
Im Herbst 1840 machte George sich auf dem Weg nach London, zu Einkäufen fürs Geschäft. Nach erledigten Einkaufen ging er zum Karrierekaufmann George Hitchcock. Vielleicht suchte dieser zufällig jemanden. Das erwies sich jedoch als Irrtum. Der Kaufmann reagierte zögernd und ablehnend, ließ sich aber dann doch zu einem "Ja" herab. Er werde ihm eine Chance geben.
Mit ganzer Hingabe, ehrlich, zuverlässig, aber ohne verkrampften Ehrgeiz nahm in dieser Zeit sein Glaube Gestalt an. Er war nüchtern genug, die auf Umsatz, Gewinn und Kundenfang programmierte Weit zu durchschauen. Es war nie seine Absicht, Gott und die Welt zu trennen, und das Gefühl, das Richtige zu tun, besaß er hier wie dort.
Obwohl der junge George kein großer Leser war, las er natürlich doch. Mit ziemlicher Sicherheit waren es die Bücher des amerikanischen Erweckungspredigers Charles G. Finney. In diesen Büchern fand er praxisbezogene Ratschläge zum geistlichen Tun, mit denen man "Reich Gottes" bauen konnte. Sein Glaubensleben lässt sich nach der Lektüre einiger Seiten von Finney, entschieden besser verstehen. Er nahm sich die Ratschläge Finneys zu Herzen, "dass ein Christ nicht ohne Gebet leben kann, dass er einer Ordnung des inneren und äußeren Lebens bedarf und der Gemeinschaft mit anderen Christen."
Georg, 19 Jahre alt, arbeitete im berühmten Kaufhaus Hitchcock. Dort einzukaufen galt für die Londoner High Society als Statussymbol. Für George allerdings und die ungefähr 140 Kollegen war das Arbeiten und Wohnen in diesem Geschäft weniger glanzvoll. Sechsmal in der Woche dreizehn Stunden arbeiten und eine halbe Stunde Zeit, um drei Mahlzeiten einzunehmen.
Es wäre undenkbar gewesen, irgendwo anderes zu wohnen. So teilten sich die Angestellten in einem der oberen Stockwerke die Zimmer. Drei Betten standen in den meisten Zimmern, wurden aber von sechs jungen Männern belegt. Trotzdem waren die Bedingungen im Vergleich zu anderen Häusern noch recht human.
George Williams beschloss zu Thomas Binney in "The Old King's Weigh House Chapel" zu gehen. Thomas Binney galt als ein Magnet unter den Londoner Predigern. Mit großer Regelmäßigkeit besuchte Georg und einer seiner Freunde und Kollegen, Valantine, die beiden an den Sonntagen die Abendgottesdienste. In der übrigen "Freizeit" des Tages engagierten sie sich in der Sonntagsschule. Als wäre George damit noch nicht völlig ausgelastet, engagierte er sich ein Jahr später zusätzlich in einer "Lumpenschule" südlich der Themse, einer von extremer Armut gekennzeichneten Gegend.
Eines Tages fingen zwei seiner Kollegen an, in ihrem Zimmer kurze Vorträge zu halten. Man unterhielt sich über Astronomie, Geologie und Bergbau, über die Geschichte der Juden in England, hebräische Schriften, Verfolgung der ersten Christen und vieles mehr. Es waren gute Abende. Einer dieser Abend lief aber ganz gegen die Erwartungen der Organisatoren ab. Dieser hatte zur Folge, dass sich schließlich zwanzig junge Männer zu einer Besprechung trafen, elf Tage später dann, am 30. Juli 1843 zum gemeinsamen Gebet.
Die Zimmer wurden bald zu klein, sie mussten Mr. Hitchcock wegen eines größeren Raumes ansprechen, den sie auch bekamen. Überhaupt war es George Williams ein sehr großes Anliegen, dass auch sein "Chef"ein ernsthafter Christ wird. Langsam aber stetig bekam das Textilgeschäft Hitchcock ein christliches Image. Entweder musste sich George Hitchcock dagegen zur Wehr setzen, oder er musste es bejahen. Am 13. August 1843 verkündete er seinen Angestellten, dass in Zukunft jeden Morgen um sieben Uhr eine Gebetsandacht stattfinden werde.
Nach einer Bibelstunde im Mai 1844 beschlossen ein paar junge Männer, sich am 6. Juni zu treffen, um über "den Wert und die Möglichkeiten einer ... Vereinigung" gründlicher nachzudenken. Das taten sie in vier weiteren Zusammenkünften. Diese Vereinigung sollte die gläubigen Männer aus den Tuchhandelgeschäften Englands zusammenschließen. Ziel dieser Vereinigung sollte die Mobilisierung zur Evangelisation sein. Die Männer sollten auf zeitgemäße, ansprechende und kreative Weise ihr Umfeld für Christus gewinnen.
Das Geheimnis des Wachstums lag in der gegenseitigem, persönlichen Anteilnahme, denn George Williams und seine Freunde hatten alle schon erlebt, wie einsam man in dieser Stadt sein konnte. Um anderen zu helfen, dachten sie recht praktisch. Jeder sollte für ungefähr fünf junge Männer da sein und an ihrem Ergehen Anteil nehmen, dann für jeden persönlich und regelmäßig beten, ernsthafte Gespräche suchen, zu Gottesdiensten einladen und schließlich zum gemeinsamen Bibelstudium und Gebet.
Was sich dabei an unterschiedlichen Glaubensprägungen zusammenfand, passte unmöglich in eine Konfession. Da gab es Freikirchliche, Methodisten, Baptisten und Männer aus der anglikanischen Kirche, was zeigt, dass diese jungen Männer ausschließlich durch ihren gemeinsamen Glauben zusammengehalten wurden.
Es entwickelte sich ein Vortragsprogramm, das zu einer stadtbekannten Vortragsreihe wurde, mit der man den Sprung zu regelmäßigen Vorträgen in der Exeter Hall wagte, einem Saal, der 3.000 Leuten Platz bot.
Das alles hatte selbstverständlich auch seinen Preis. Die Männer des "Christlichen Vereins Junger Männer" investierten trotz pausenloser Arbeit und kaum nennenswerter Freizeit alles, was sie geben konnten. Weil sie selber das Elend kennen gelernt hatten, wussten sie, dass es Hilfe für die Hilflosen, Nächstenliebe und soziales Engagement nicht gibt ohne persönliche Opfer, ohne eigene Leistung und Arbeit. Man verändert die Welt nicht vom Sofa aus.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielte bei der Verbreitung des CVJM die Weltausstellung im Jahr 1852, bei der die jungen Männer des CVJM über 350.000 Verteilblätter durch ihre Finger laufen ließen. Dadurch entstand zum Beispiel der Verein in Paris. Durch die Anregung eines jungen Kanadiers, der Mitglied des Londoner Vereins war, wurde bereits am 9. Dezember 1852 der erste Verein in Amerika gegründet.
Bereits elf Jahre nach den kleinen Londoner Anfängen existierten an über 340 Orten der Erde ähnliche Vereine, die bereit waren, sich mit knapp 100 Vertretern in Paris zu treffen. Auch das war ein Anfang, bei dem es nicht blieb. In den ersten fünfzig Jahren traf man sich zu sechzehn Weltkonferenzen.
Bei der Ersten, am 22. August 1855 entstand die 'Pariser Basis", die bis heute die Christlichen Vereine Junger Männer Menschen in einem Bund zusammenschließt:
"Die Christlichen Vereine Junger Männer haben den Zweck, solche jungen Männer miteinander zu verbinden, welche Jesus Christus nach der Heiligen Schrift als ihren Gott und Heiland anerkennen, in ihrem Glauben und Leben seine Jünger sein und gemeinsam danach trachten wollen, das Reich ihres Meisters unter den jungen Männern auszubreiten."
Im Laufe der Jahre weitete sich die Sicht, und die Männer wurden zu Menschen - aber den Wortlaut der Pariser wollte man nicht ändern, aber es gilt für beiderlei Geschlechter.
Nebenbei bemerkt: Auch George Williams verliebte sich. Das Mädchen war elf Jahre jünger als er und hieß Helen Hitchcock! Die Tochter seines Chefs. Wenige Monate vor der Hochzeit, am 9. Juni 1853, machte ihn sein Schwiegervater zu seinem Teilhaber. Aus dem Groß- und Einzelhandelskaufmann wurde ein Gentleman der vier Hausangestellte und 209 Personen in seinem Textilgeschäft beschäftigte.
Solange er in seinem Geschäft aus- und einging, traf er sich mittags, in seinem ehemaligen Zimmer mit Gästen zum Essen und zum Gebet.
Am 6. November 1905 starb Georg Williams. Für seine Trauerfeier mussten 2600 Eintrittskarten gedruckt und ausgegeben werden. An Nachrufen war kein Mangel und die Times berichtete ausführlich über den mehrstündigen Tra